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KATJA KABANOWA

Leoš Janáček

Inszenierung | Licht Sebastian Ritschel
Musikalische Leitung Ekkehard Klemm
Ausstattung Stefan Wiel
Dramaturgie Ronny Scholz | Gisela Zürner
Choreinstudierung Karl Bernewitz
 
Premiere 25. Mai 2019 | Landesbühnen Sachsen

Besetzung

Dikoj Paul Song
Boris Sebastjan Podbregar
Kabanicha Jasmin Etezadzadeh
Tichon Kay Frenzel
Katja Stephanie Krone
Kudjasch Edward Lee
Varwara Katarzyna Wlodarczyk
Kuligin Johannes Leuschner
Glascha Gundula Ehret
Fegluscha Ausra Pruselaityte
Eine Frau aus dem Volk Suji Kim
   
  Opernchor der Landesbühnen Sachsen
  Elbland Philharmonie Sachsen

Trailer | KATJA KABANOWA

Rezensionen

Roland H. Dippel - www.nmz.de

"Katja Kabanowa" wird zur Sternstunde

Die Landesbühnen Sachsen befinden sich offenbar im Zenit einer Glückssträhne: Nach Previns „Endstation Sehnsucht“, Vollmers „Tschick“ und von Einems „Der Besuch der alten Dame“ wird jetzt „Katja Kabanowa“ in Radebeul zum kleinen Opernwunder, dessen Gelingen auch der Fähigkeit zur Einschätzung eigener Ressourcen und Möglichkeiten zu verdanken ist. […]

Sebastian Ritschel leitete das bis in die kleinste Nebenrolle ideale Ensemble an zu einer überlegt zwischen psychologischem Realismus und Stilisierung ausbalancierten Darstellung. Jede Bewegung hat Sinn. […]

Allgegenwärtig wie in der Musik fließt die Wolga in Projektionen: Während der nächtlichen Liebesszene sieht man wie vom Grund des Flussbetts durch die Wasseroberfläche nach oben auf vorbeiziehende Äste und Baumkronen. Oder das Ufer glimmt in goldenen Herbstfarben, wo in der Oper doch Sommer ist. Das enge Milieu diktiert alles: Stefan Wiel setzt drei sich nach hinten zuspitzende Lattenwände auf die sonst freie Bühnenfläche. Durch breite Ritzen dringt Licht in die freudlose Dunkelgesellschaft. […] Ritschel bremst das vitale Potenzial seiner Sängerdarsteller und hinter der Ruhe spürt man die innere Getriebenheit der Figuren umso deutlicher. […]

Durchhörbarkeit der Fülle rückt bei Klemm alle Vorzüge der großartigen Besetzung ins rechte Licht: Die imponierenden Gestaltungsmittel von Paul Gukhoe Song (Dikoj) und Jasmin Etezadzadeh (eine Kabanicha in den problematischen statt in den Matronen-Jahren) bereichern das vokale Dynamit wie Katarzyna Wlodarczyk, die der Varvara einem Mezzosopran von venushaft lockender Fülle leiht. Wie gut Klemm das Janacek-Idiom trifft, zeigt sich an der Besetzung des zwischen Leidenschaft und Flucht zögernden Boris mit Sebastjan Podbregar und Edward Lee als Kudrjáš: Beider nicht sonderlich große Stimmen bleiben über der dichten Instrumentation ohne Überanstrengung fähig zu leiser Deklamation und feiner melodischer Entfaltung. Durch Stephanie Krone wird die Titelpartie sogar neben dieser beträchtlichen sängerischen Konkurrenz zum idealen Fixstern der Aufführung, weil sie Erregung, Leid, Unglück und Unsicherheit mit fast nur kleinen Bewegungen erspielt, Melos und Expression der das hochdramatische Fach streifenden Partie ohne Ängste mit den nötigen Reserven ersingt. Auch hier bestätigt sich die intensive Konzentration der Produktion. Ein überregional konkurrenzfähiger Höhepunkt dieser Spielzeit.

 

Jens Daniel Schubert - Sächsische Zeitung

Traurig-schöne Melancholie 

Es ist keine leichte Kost, die die Landesbühnen Sachsen ihren Zuschauern zumuten. Leere Plätze gab es schon zur zweiten Vorstellung, aber erste Bravos schon zur Pause und nach der Vorstellung großer Jubel - mit Bravos für das gesamte Ensemble. Nicht nur weil dieses Stück selten zu sehen ist und viele versteckte Schönheiten hat, lohnt sich der Weg nach Radebeul. In einer nicht perfekten, aber sehr eindringlichen musikalischen Interpretation, mit tollem Sängerensemble, überzeugenden und immer stilvoll-schönen Bildlösungen sowie sehr genauer, bis ins Detail stimmigen Personenführung ist hier großes Musiktheater zu erleben. Das ist ein Abend, der lange nachschwingt, auch wenn er keine Melodie hinterlässt. […]

Regisseur Ritschel und Ausstatter Wiel zeigen „Katja Kabanowa“ als Projektion. So aussichtslos die Sehnsucht der Titelfigur, so groß ist sie beim Zuschauer. So genau die Figuren geführt sind, so nachvollziehbar ihr Verhalten, so sehr wünscht man sich, genau das nie zu erleben. Die Inszenierung zieht keine sichtbaren Linien ins Hier und Heute und ist dennoch anregend aktuell. Zuschauer, die sich ergreifen lassen, werden einen beindruckenden, lange nachklingenden Abend haben.

 

Boris Michael Gruhl - MDR-Kultur

Janáčeks seltenes Meisterwerk

Regisseur Sebastian Ritschel nimmt mit höchster Aufmerksamkeit diese zeitlose Unerbittlichkeit der Musik aber auch ihre poetischen Hoffnungsklänge auf. Er nimmt die Räume der Bilder an als die Räume innerer Gefangenschaften der Menschen oder auch als Lichtblicke, diese aufzubrechen. Er arbeitet in der Führung und Zuordnung der Personen mit den dramatischen Prinzipien von Nähe und Distanz.Es gibt keine vordergründige Aktualisierung, etwa durch Zeitgeistkostüme. Hier hat Stefan Wiel als Ausstatter stilisierte Kostüme geschaffen, ausschließlich in den Farben schwarz und weiß. Bei Katja und bei Boris überwiegen unter den schwarzen Verhüllungen weiße Stoffe. – Und das findet seine Korrespondenz in der Inszenierung, die keine guten oder bösen Menschen zeigt. Die Empathie gilt allen, und gerade das ist nicht immer leicht auszuhalten. Und eben auch eine Frau wie Kabanicha, eine Witwe, hat nicht nur keifende Töne, sondern auch sanfte in der Wärme ihres dramatischen Mezzosoprans. […]

Insgesamt kann man nur staunen über dieses Ensemble an den Landesbühnen mit tollen Leistungen im Spiel und im Gesang.