TSCHICK
Ludger Vollmer
Inszenierung | Licht | Sebastian Ritschel |
---|---|
Musikalische Leitung | Hans-Peter Preu |
Ausstattung | Sebastian Ritschel |
Dramaturgie | Ronny Scholz | Gisela Zürner |
Choreinstudierung | Sebastian M. Fischer | Fanni Kaufmann |
Premiere | 19. Januar 2018 | Landesbühnen Sachsen |
Besetzung
Maik | Johannes Leuschner |
---|---|
Tschick | Michael Zehe |
Vater | Hagen Erkrath |
Mutter | Stephanie Krone |
Isa | Kirsten Labonte |
Friedemann | Iris Stefanie Maier |
Mutter Friedemann | Christiane Günter, Julia Böhme, Gundula Ehret |
Jonas Friedemann | Tabea Drechsler-Reckmann |
Elisabeth Friedemann | Manuela Neumann |
Florentina Friedemann | Ekaterina Iankovskaia |
Horst Fricke | Peter Koppelmann |
Richter Burgmüller | Paul Gukhoe Song |
Krankenschwester | Christiane Günter, Julia Böhme, Gundula Ehret |
Taxifahrer | Michael König |
Lehrer | Kazuhisa Kurumada |
Mona | Anna Erxleben |
Tatjana | Johanna Halsch |
Lutz Heckel | Stefan Glause |
Vater Heckel | Fred Bonitz |
Schulze | Stefan Glause |
Chor der Landesbühnen Sachsen | |
Jugendchor des Gymnasiums Coswig | |
Elblandphilharmonie Sachsen |
Trailer |
Rezensionen
Roland H. Dippel - www.nmz.de
Coming-Out am Originalschauplatz
Ein Gastspiel der Landesbühnen Sachsen mit Ludger Vollmers Oper „Tschick“ wird es auch im Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden geben, wo der Siegeszug von Robert Koalls Bühnenfassung des Romans begann. Schon im letzten Takt bricht bei der ersten Produktion nach der Uraufführung 2017 in Hagen der Jubelsturm los. Dem Erfolgsroman von Wolfgang Herrndorf, dem in die Dauerturbulenzen seiner eigenen Musik verliebten Ludger Vollmer und auch der leicht ironischen Filmstilisierung Fatih Akins kontert Operndirektor Sebastian Ritschel mit Blicken auf Wesentliches und Hintergründiges. Dabei streut er vorsätzlich ein paar Reißnägel in die Coming-of-Age-Story: Spannend, schön, nachdenklich. […]
Die Flucht von Maik und Tschick aus Berlin-Marzahn Richtung Walachei endet mit einem Crash, den man sich im Wirkungskreis der Sächsischen Landesbühnen denken muss. Bei den Begegnungen der vierzehnjährigen Ausreißer mit Einheimischen gibt es in Roman, Film und Oper durchaus Momente von Sozialsatire, die Sebastian Ritschel mit seinem wunderbaren Radebeuler Ensemble in dunkelbunter Ausstattung und weich stilisiert: […] Das wird nicht zum Schwank, denn Tschick und Maik finden hier gar nicht aus dem Moloch Berlin und dessen graffitiverkleisterten Mauern heraus. Der gestohlene Lada ist in Radebeul ein neonfarbiger Autoscooter, in dem sich die mit ihren Lederjacken und Trendfrisuren einander sehr ähnlichen Alltagsflüchtigen die zu kurze Wunderwoche basteln. Maik und Tschick finden das wahre Leben im falschen. Sebastian Ritschel vergisst in keiner der 29 kurzweiligen Opernszenen die von Wolfgang Herrndorf manisch beschworene Sehnsucht nach Phantasie und ihrer Macht. Deshalb bleiben die vielen Episodenfiguren auf diesem Rummelplatz berstender Träume an der musicalhaften Oberfläche. […]
Der Haupttrumpf steckt in den beiden Gästen, die Tschick und Maik eben nicht zum grundfalschen „Hänsel-und-Fränzel“-Duo herunter brechen. […] Bei den langen Fahrten im Autoscooter, Symbol pubertärer Sehnsüchte und Spannungen, lagert Sebastian Ritschels Inszenierung mindestens drei Atmosphären übereinander: Fluchtgedanken und Abenteuerlust, langsam wachsendes Vertrauen, Einigkeit. Nur daraus erwächst die erotisch-emotionale Nähe Maiks und Tschicks zueinander, wirkt nur deshalb so berührend. Das ist den Darstellern bewusst, wird durch Johannes Leuschner und Michael Zehe glaubhaft. Mit diesem sympathischen Duo erbringen die Landesbühnen Sachsen einen plausiblen Beweis für die Tragfähigkeit von Vollmers Oper. Vor allem, weil sie sich von nicht von Einwänden gegen die Glätten von Sujet und Partitur vereinnahmen lassen: „Tschick“ ist in Radebeul ein bejahendes, beglückendes, erlebnisreiches Stück Musiktheater.
Jens Daniel Schubert - Sächsische Zeitung
Eine Arie auf „Tschick“
Was Regisseur, Ausstatter und Lichtdesigner Sebastian Ritschel auf die Landesbühnen bringt, ist eine ziemlich originelle Nacherzählung und Illustration der vielen bekannten Handlung in 29 Szenen. Aber es ist auch etwas ganz Eigenes, das es zu entdecken gilt. Beispiel: der geklaute Lada. Auf der Minibühne in Radebeul, rundum mit graffitibesprühten Wänden abgeschlossen, ist der zweisitzige Skooter vom Rummelplatz ein origineller Ersatz. Den echten Lada, von dem immer geredet wird, für den man auch auf Benzinklau geht, kann man sich denken. Muss man aber nicht. Wenn die beiden fahren, die Lichter rundum blinken, die Lichtstreifen am Boden nach hinten laufen und ein videoprojizierter Strudel das ganze Bild umkreist, kann die Zuschauerfantasie die Fahrt erleben. Aber findet sie für Tschick und Maik vielleicht auch „nur“ in ihrer Fantasie statt? […]
Ob im schwarzen Einheitskostüm, als blassbraune Rentner oder grünbejackte Umweltaktivisten, Ritschel führt den Chor zu punktgenauer Präsenz, exakten Choreografien, aussagekräftigen Bildern. Das sind abgedrehte Geschichten, surreal wie dem Traum eines Pubertierenden entsprungen. […] Ritschel gelingen zu solch hintergründigen Bildern zwei Dinge: Figuren zu führen, dass sie überzeugen, und Szenen zu arrangieren, die mit der Musik eine Einheit bilden. Johannes Leuschner, Michael Zehe und Kirsten Labonte als Ausreißertrio müssen nicht so tun, als wären sie 14. Ihre Figuren verhalten sich wie Vierzehnjährige, und indem sie das authentisch spielen, funktioniert das Stück. […] Ritschels Szenen entsprechen der Musik, spielen Handlung und musikalischen Gestus nicht gegeneinander aus.
Nicole Czerwinka - www.elbmargarita.de
Einfach „Tschick“!
[…] Ritschel verleiht dem Stück jugendliche Leichtigkeit, ohne dabei die Philosophie des Werkes an die Unterhaltsamkeit zu verraten. Er bereitet der Ironie die Bühne, manchmal auch dem Sarkasmus, wenn etwa graue Rentner ohne Zukunft oder Schweinemasken über die Bühne tanzen. Auch scheut er sich nicht, die derbe Sprache der Jugend schonungslos in den Saal zu schreien, auf dass diese Rufe brutal gegen Wände prallen, die das Leben den beiden Protagonisten in den Weg schiebt. […] Für einen wie Ritschel ist dieses Stück ein Fest: Mit Humor und Hintersinn zeigt er die Auswüchse einer schrägen Gesellschaft, die erschreckend der unseren ähnelt. Von der sommersprossig hyperintellektuellen Gastfamilie Friedemann bis hin zur bunt kreiselnden Videoprojektion hat er den Landesbühnen Sachsen mit „Tschick“ eine der buntesten Inszenierungen der vergangenen Jahre beschert – und wird damit gewiss nicht nur das junge Publikum begeistern.
Lilli Vostry - www.meinwortgarten.com
Eine verrückt schöne Abenteuerreise
Witzig-abgedreht und fantasievoll inszeniert mit schräger Klangfülle kam Wolfgang Herrndorfs Bestsellerroman Tschick nun auch als Road-Oper an den Landesbühnen Sachsen in Radebeul heraus. […] Die Oper von Ludger Vollmer unter Regie von Sebastian Ritschel ist aufregend, witzig-abgedreht und fantasievoll, voller schräger Klänge in Szene gesetzt. Im Bühnenbild prallen bunte Graffiti, Sprüche und Totenschädel und noble Etikette aufeinander. Das Fenster mit dem Protzvorhang öffnet und schließt sich, hinter dem allerhand seltsame, skurrile Typen erscheinen, denen die zwei Ausreißer auf ihrer Tour im geklauten Lada begegnen. […] Eine spannende Inszenierung mit Anspruch, die polarisiert. Nicht alle Zuschauer blieben bis zum Schluss. Dennoch gab es viel Beifall vor allem für die jungen Hauptdarsteller.
Boris Michael Gruhl - www.musik-in-dresden.de
Gruppenbild mit TSCHICK
Jetzt feierte »Tschick« als Road Opera eine stürmisch bejubelte Premiere an den Landesbühnen Sachsen im Theater in Radebeul. […] Also, keine Angst vor Oper! Sicher nicht zuletzt wegen der jungen Leute auf der Bühne, den Mitgliedern des Jugendchores vom Gymnasium Coswig, waren viele junge Leute im Premierenpublikum. Sie waren am Ende begeistert und jubelten ihren Helden zu. […] Da könnten die Meinungen auseinander gehen über diese Road Opera. Weniger darüber, wie Sebastian Ritschel deren Handlung in 29 knappen Szenen inszeniert, ausgestattet und ins Licht gesetzt hat.
Der Bühnenraum ist ein dunkler, mit Graffitis besprühter Tunnel. An der hinteren Wand der Bühne sieht man so ein historisches Theaterportal. Wenn sich hier der Vorhang hebt erscheinen eben jene skurrilen, schon mal ganz schön schrägen Gestalten aber auch jene Isa, die Aussteigerin auf der Müllkippe. Und in dem Tunnel geht es für die beiden 14jährigen Ausreißer im Kreis herum. Sie werden dabei immer wieder von einer sie schützenden aber auch bedrohlich wirkenden Lichtinstallation umgeben, die sie umkreist und diesem Tunnel zusätzlich optische Tiefe verleiht. Der geklaute Lada ist so ein Rummelplatzauto, wie man es vom Autoscooter kennt. Sebastian Ritschel macht ja kein realistisches Musiktheater, er inszeniert Traumtheater aus Angst und Glück, aus Aufbruch und Verzweiflung. Den jungen Helden begegnet er mit großer Empathie – das überträgt sich auf die Menschen im Theater. Die anderen Typen können schon schon mal wie grelle Klischees wirken, das kann komisch werden, opernhaft übertrieben. Chorszenen sind choreografisch inszeniert; immer ganz gut in der Oper.
Das Schlussbild fasst zusammen, was diese Inszenierung mit einem großartigen Ensemble in allen Rollen, den Chören, dem munter aufspielenden Orchester unter Hans-Peter Preu ausmacht. Für alle, denen dieser Tschick begegnet ist, ob sie ihn mögen oder nicht, hat sich etwas verändert. Und das wird am Ende festgehalten. Es gibt einen typischen Schnappschuss, den man immer wieder gerne aus der Erinnerungskiste holt: Gruppenbild mit Tschick.
Für die Opernpartien der Vierzehnjährigen haben die Landesbühnen Gäste engagiert. Gute Wahl. Volltreffer, der Bassist Michael Zehe in der Titelpartie, der Bariton Johannes Leuschner als Maik und die Sopranistin Kirsten Labonte als Isa. Gemeinsam mit dem großen Ensemble […] gelingt es mit dieser Inszenierung erneut, einen besonderen Akzent im Dresdner Spektrum der Musiktheaterszene zu setzen.
Michael Ernst - Dresdner Neueste Nachrichten
„Tschick“ nun auch als „Road opera“
[…] Denn in der Regie von Sebastian Ritschel entwickelt „Tschick“ durchaus eigenes Tempo, müssen sich die 29 Szenen nicht an der literarischen Vorlage messen, da sie ganz eigene Qualitäten aufweisen. Das beginnt mit der Ausstattung, für die der Regisseur und Operndirektor einen Einheitsraum mit grellen Graffiti und schmalem Guckkasten geschaffen hat. Wer sich vorab gefragt hat, wie wohl die Straßenszenen mit dem „entliehenen“ Lada Niva umgesetzt werden, sieht sich wunderbar überrascht, da Tschick und der zunächst etwas scheue Maik die kleine Bühne mit einem Autoscooter unsicher machen.
Toralf Grau - Meißner Tageblatt
Abenteuerreise mit Autoscooter und Gesang
[…] Die „Road Opera“ in der Radebeuler Fassung von Sebastian Ritschel belohnt mit gelungenen szenischen „Übersetzungen“ und vor allem mit hervorragenden Sängern bzw. Darstellern.[…] Dabei helfen ihnen die phantasievolle Ausstattung und die einfallsreiche Inszenierung des Stücks. Zwei Beispiele: Der geklaute Lada ist hier ein Autoscooter, die Klassenkameraden von Maik und Tschick (und noch einige andere Rollen) werden von Mitgliedern des Chors des Coswiger Gymnasiums gespielt und gesungen. […] Hier führt Sebastian Ritschel die Figuren in angemessenem Tempo, in sehenswerten Choreografien, aber auch mit Liebe zum Detail. Die offenbart sich unter anderem in manchem herrlich schrägen Kostüm. […] Großer Beifall bei den ersten Aufführungen spricht dafür, dass „Tschick“ im Opernformat an den Landesbühnen ein Publikumserfolg werden kann.